Historie zur Örtlichkeit: Veddeler Jugendheim

Die Kirchengemeinde der Immanuel Kirche in Hamburg Veddel war 80 Jahre lang einer der größten Grundbesitzer in Holm-Seppensen:  

Am Lohbergenweg besaß der von der Gemeinde ins Leben gerufene Verein „Veddeler Kinder-Erholungsheim e.V.“ viele Jahrzehnte ein Areal von anfangs gut 11 ha. Durch Verkäufe im Lauf der Zeit ist es allerdings bis heute auf nur einige 1.000 qm zusammengeschmolzen.

Der Veddeler Pastor Paul Ebert war Anfang des 20. Jahrhunderts die treibende Kraft hinter diesem Engagement in Holm-Seppensen. Er erkannte, dass durch die neue Eisenbahnlinie, die seit 1901 Buchholz mit Hannover verband, die Heidelandschaften um den Haltepunkt Holm-Seppensen von Hamburg aus schnell erreichbar geworden waren.  Er hatte die Idee, den Kindern und Jugendlichen seiner Gemeinde, die durch die Abgase der benachbarten Kupferhütte Norddeutsche Affinerie häufig an Atemwegserkrankungen litten, Erholung in der sauberen Umwelt der Heide zu ermöglichen.

 

Das Land im Gebiet der Gemeinde Lüllau erwarb zunächst der Verein „Veddeler Gemeinde- und Krankenpflege e.V.“ in 2 Teilkäufen: 1917 von dem Hamburger Kaufmann Adolf Rudolf Hermann Rilke und 1918 von Friedrich Ernst Düring.  Der qm Preis betrug 18 Pfennige. Um das Kapital zusammen zu bekommen, wurden Firmen zu Spenden aufgefordert. Die größten Spender waren damals: Norddeutsche Affinerie, Töpfers Ölwerke, Brauerei Deetjen&Schröder, und Schiffswerft Hitzler.

1920 gründete Pastor Ebert mit Gemeindemitgliedern den Verein „Veddeler Kinder-Erholungsheim e.V.“ und übertrug ihm das Grundstück.  Es wurde zunächst ein festes Wohngebäude errichtet, das Gärtnerhaus. In ihm waren neben einer abgeschlossenen Wohnung für ein Verwalterehepaar auch 2 Gästezimmer mit je 2 Doppelstock-Betten vorhanden.

Für die Wasserversorgung wurde eine Brunnen bohrung mit einer Handpumpe neben dem Gebäude installiert.

Die Mitglieder des Vereins „Veddeler Kinder-Erholungsheim“ und die sich hier immer stärker engagierenden Jugendlichen des „Veddeler Turnvereins v. 1888“ errichteten dann eine Waldhütte mit 2 Schlafräumen mit je 10 Betten, einem Küchenraum und einem Gemeinschaftsraum.

 

Bis in die 50er Jahre hinein war diese Unterkunft ein beliebter Treffpunkt der jungen Menschen aus Hamburg Veddel.

Das Areal besaß als Eingang ein Tor aus Schmiedeeisen mit 2 gemauerten hohen Pfosten. Man konnte es durchaus herrschaflich nennen. Es stand am Lohbergenweg auf der Höhe der Einmündung des heutigen Hackerlersberg. Vom Tor führte ein von Birken gesäumter Sandweg in einem Bogen nach rechts zum Gärtnerhaus.

 

Die Materialien und Einrichtungen, z.B. die eisernen Doppelstockbetten, wurden per Bahn bis Holm-Seppensen transportiert. Der Bahnhof war nicht nur für Reisende gut ausgestattet (mit 2 Gleisen und 2 Bahnsteigen, so dass hier Zugbegegnungen stattfinden konnten), sondern auch mit einem Gleisanschluß für Güterwagen zur Laderampe und Abstellgleisen für Güterwagen. Für den Weitertransport vom Bahnhof war man damals dann auf die Pferdefuhrwerke der Bauern aus Seppensen oder Thelsdorf angewiesen.

 

Zu damaliger Zeit reisten auch die Touristen (die nannte man damals noch nicht so) mit der Bahn an. Man fuhr nicht nach Lüllau, sondern nach Holm-Seppensen, weil der Haltepunkt so hieß. Die Landschaft bestand aus Heideflächen und eingestreuten halbwüchsigen Einzelbäumen und Wachholdern. In den 20er Jahren war eine direkte Sicht von den Flächen des Veddeler Kinderheims zum Bahnhof gegeben.

Der Lohbergenweg war ein typischer Heide-Sandweg und endete etwa an der heutigen Ortsgrenze Richtung Sprötze. Von dort gelangte man auf Trampelpfaden in den Staatsforst Lohbergen, mit Verzweigungen zum Pferdekopf, zum Brunsberg, nach Sprötze.

An vielen Sommerwochenenden waren diese Wanderwege stark frequentiert. Besonders gut besucht waren die Wälder westlich von Holm-Seppensen im Sommer während der Erntezeit der beliebten Bickbeeren.

 

Für die jungen Besucher des Veddeler Kinderheims war auch der Badeteich der Familie Henk (Bild)

eine große Attraktion.

 

In der Zeit zwischen den Kriegen etablierte sich die Gegend um den Haltepunkt Holm-Seppensen als Ausflugsort. Gehörten die jungen Veddeler in den 20er Jahren zu den ersten „Heidetouristen“, war Holm-Seppensen Ende der 30er Jahre ein Touristenziel, das sogar mit Sonderzügen bedient wurde, wie auch die weiter südlich gelegenen Haltepunkte bis hin nach Soltau.

Zahlreiche Etablissements entstanden, die Getränke, Speisen und Übernachtung anboten.

Die Gasthausbetreiber Henk, Ascher und Schnoor hatten ihre Häuser sogar mit Säälen für größere Feiern ausgerüstet.

 

 

1944 verkaufte der Verein Veddeler Kinder-Erholungsheim erstmals einen Teil seines Grundbesitzes an Mitglieder. Insgesamt 4,5 ha an 12 Parteien und die Fläche einer Brandschneise.

Schon in den 30er Jahren legten die Mitglieder einen Brandschutzstreifen auf dem Gelände an, der bei einem Heide/Waldbrand ein Überspringen der Flammen auf weitere Flächen verhindern sollte.  Im Zuge der Planungen für diesen Brandschutzstreifen wurden 1932 bereits zu beiden Seiten Parzellierungen vorgenommen. Der Verkauf 1944 folgte diesen Grenzen und der Brandschutzstreifen wurde Erschließungsweg für die neuen Grundstücke. Er blieb bis zur Eingemeindung nach Buchholz eine namenlose Sackgasse. Den Namen „Feuerweg“ trägt er erst seit 1972. Die Besitzer der Endgrundstücke, Else Ahlers und Carl-Hans Verdieck, verkauften damals je einen Streifen entlang ihrer gemeinsamen Grenze an die Gemeinde, so dass der zukünftige Feuerweg an den Meyersche Weg angebunden werden konnte.

Im Laufe der Jahrzehnte bis heute (2017) fanden hier eine ganze Reihe von Grundstücksverkäufen und Teilungen statt. Noch im Besitz der ursprünglichen Flächen am Feuerweg sind die Familien Breuning (ursprünglich Floerke), Franck / Flügger, Subatzus, Verdieck.

 

Ursprünglich hatten die Käufer der Parzellen am späteren Feuerweg, alle im Alter, eine Familie gründen zu wollen, die Flächen als Wochenendgrundstücke zu Erholungszwecken vorgesehen. Genauso wie viele andere Hamburger, die im Laufe der Jahre Flächen um den Bahnhaltepunkt von den Bauern erwarben. Diese verkauften das Heideland gerne, weil es für landwirtschaftliche Zwecke wenig geeignet war.

 

Nach dem Krieg verlegten dann eine ganze Reihe von Besitzern ihren Wohnsitz fest nach Holm-Seppensen, weil sie in Hamburg ihre Wohnungen durch Bombenangriffe verloren hatten. So entstand der Siedlungscharakter des Ortes.

Auf dem Grundstück des Veddeler Jugendheims entstanden nördlich des Birkenweges 4 Behelfsheime für ausgebombte Veddeler. Es waren einfachste Holzhütten, teilweise FLAK-Baracken, die dort aufgebaut wurden.

Dort wohnten für einige Jahre die Familie des Kunstmahlers Fritz, Frau Sauerland, eine Flüchtlingsfamilie mit 4 Kindern und Anna Franck. Sie wohnte dort bis zu ihrem Tod 1984. Wir als Holm-Seppenser Kinder empfanden Oma Anna, die alte Dame mit Fahrrad, fast schon als „Original“ unseres Ortes.

 

 

In den 50er Jahren erholte sich der Heidetourismus schnell von den Unterbrechungen durch den Krieg. Auf der Heidebahn verkehrten regelmäßig dieselgetriebenen Schienenbusse zwischen Buchholz und Soltau.

Für die Tagestouristen war aber eine andere Verbindung viel wichtiger: Die Eilzüge, mit Dampfloks, die Hamburg Hbf ohne Umsteigen mit Hannover verbanden. Morgens um 9:00 an Holm-Seppensen und Abends um 20:00 Uhr zurück. Auch und gerade Sonntags waren diese Züge oft so voll, daß es für viele Reisende nur Stehplätze gab.

Wer weiter nach Süden wollte, hatte dann wenigstens ab Holm-Seppensen einen Sitzplatz.

 

 

Auch das Veddeler Kinderheim boomte. Nahezu jedes Wochenende waren die Unterkünfte besetzt. 1952 bauten die jungen Leute eine weitere, größere Baracke auf, die dann als Jugendheim bezeichnet wurde. Hier waren erstmals Toiletten und Waschräume integriert.  Auch ein Rasenplatz mit 2 Toren wurde errichtet. Ihm musste ein umfangreicher Gemüsegarten, der bereits in den 30er Jahren eingerichtet worden war, allerdings nicht durchgehend gepflegt wurde, weichen.

 

Gruppenreisen der Gemeindemitglieder, z.B. zu Pfingsten, hatten immer auch einen christlich geprägten Tagesablauf.

Auszug aus einer Tagesplanung:  Morgengebet, Abendgebet.  An Pfingsten Besuch des Gottesdienstes in Handeloh (Wanderung hin und zurück)

Der Stellenwert, den das Gelände in Holm-Seppensen für die Veddeler Kirchengemeinde hatte, wurde 1969 durch den Neubau eines Freizeitheims zum Ausdruck gebracht:

In fester Bauweise entstanden moderne 2- und 4 Bett Zimmer, Sanitär- und Gemeinschaftsräume, eine professionelle Küche und ein großer Vortrags/Andachtsraum. Insgesamt 40-50 Betten je nach Möblierung.  Eine Verwalterwohnung war integriert.

Die Holzbaracke (Waldhütte) wurde abgerissen, das Jugendhein stand weiter zur Verfügung.

Dies war eine mutige Entscheidung des Gemeindevorstands. Ein Teil der Baukosten von 450 TDM musste durch eine Hypothek finanziert werden. Weitere 55 TDM für die Inneneinrichtung konnten nur aufgebracht werden, indem die Stadt Hamburg einen Zuschuss von 30 TDM bewilligte.

 

Seit 1970 war das Freizeitheim Immanuel in Betrieb und auch mit einem Verwalter-Ehepaar besetzt

 

 

Der laufende Finanzbedarf belastete die Gemeinde allerdings so sehr, dass man sich entschloss, einen weiteren Streifen Land am östlichen Rand des Geländes zu verkaufen:

1976 wurden 1,4 ha an 7 Parteien verkauft und auf 0,2 ha die Straße „Hackelersberg“ angelegt. Sie verläuft parallel zum Feuerweg und verbindet ebenfalls den Lohbergenweg

mit dem Meyersche Weg.

 

Der Betrieb des Freizeitheims lief bis in die 90er Jahre. Noch 1992 wurden in einem Flyer beide Häuser, Freizeitheim und Jugendheim (die Holzhütte von 1952) beworben.

Mitte der 90er bis 1997 öffnete die Gemeinde dann das Gebäude auch als Jugendtreff für die Holm-Seppenser Jugend. Danach wurde es geschlossen und sollte abgerissen werden. Das Gelände stand zum Verkauf.

Als erstes wurde ein 50m breiter Streifen entlang des Lohbergenwegs parzelliert und an Einzelkäufer verkauft (1 ha).

Das Gärtnerhaus wurde abgerissen.

 

1999 kaufte der Unternehmer Günter Killer mit 3,8 ha fast das gesamte Areal.

Er hatte die Idee, an Stelle des Freizeitheims eine zusammenhängende Einzelhaussiedlung zu erstellen, deren Objekte herausragende architektonische Besonderheiten aufweisen sollten. 

Über 10 Jahre dauerte es, bis dieses Vorhaben realisiert werden konnte.

Heute ist die Siedlung „Sonnenhöh“ im Bauhaus-Stil ein sehr beliebtes Wohnobjekt direkt am Wald.

 

 

Derzeit noch im Besitz der Veddeler Kirchengemeinde ist ein schmaler Streifen

von ca. 2000 qm auf dem der ehemalige Birkenweg zum Gärtnerhaus noch erahnt werden kann.

 

 

 

Holm- Seppensen, im Herbst 2017

 

Ralf Verdieck

Quellen:

-Dokumentensammlung Hans Petermann,

-Erzählungen und Dokumente meiner Eltern,

-eigene Recherchen.